Erlebnispädagogik, was ist das überhaupt?
Kein neuer Trend und kein Allheilmittel!
Aber ein Baustein in der Erziehung, der den Jugendlichen hilft, eine gefestigte Persönlichkeit zu werden, die sich auch in ein Team einfügen können, ohne zu allem Ja sagen zu müssen.
Was wir wollen in aller Kürze:
Die Jugendlichen werden in Situationen gebracht, die sie weiterbringen können.
Deshalb bieten wir seit 2010 Erlebnispädagogik nicht nur im Rahmen von Landschulheimen, Ausflügen und der Zusammenführung der neuen fünften Klassen an, sondern unterstützen auch die achten Klassen mit dem Langzeitprojekt Project Adventure. Dadurch, dass mehrere Wochen hintereinander Team- Vertrauens- und Herausforderungsaufgaben durchgeführt werden, ist eine kontinuierliche Arbeit möglich, so dass der Teamgeist in der Klasse sich auf Dauer verbessert. Näheres dazu finden Sie unter dem Punkt Project Adventure.
Worum handelt es sich?
Der Grundgedanke heißt handlungsorientiertes Lernen, wobei nicht abrufbares Schulwissen, sondern soziale Kompetenz gemeint ist. Die Kinder und Jugendlichen sollen sich alleine und in der Gruppe selbst erleben, was nicht nur ihr Selbstvertrauen stärkt, sondern auch ihre Teamfähigkeit weckt und fördert. Nebenbei soll dabei die Lust auf Bewegung, Natur und das Gruppenerlebnis geweckt werden. Hierin sehen wir große Chancen, um Jugendliche weniger anfällig für Drogenkonsum und aggressives Verhalten zu machen. Insbesondere das Vermitteln von Handlungsmustern und Strategien zur gewaltfreien Konfliktlösung ist einer unserer Schwerpunkte, den wir durch das Planen und Nachbesprechen der Aktionen erreichen wollen.
Die kommunikativen Fähigkeiten der Kinder werden so gleichzeitig gefördert, wie das Vertrauen, sich der Gruppe öffnen zu können. Nicht das Coolsein ist wichtig für die Gruppe noch für die Position innerhalb der Gruppe, sondern das, was ich für die Gruppe zu leisten bereit bin. Dadurch erhoffen wir uns eine nachhaltige Verhaltensänderung bei Konflikten innerhalb der peer group, als auch im Elternhaus. Der soziale Lernprozess, ausgelöst durch die Aktionen, soll eine Veränderung im Sozialverhalten bewirken, die so dann auch für die Familienintegration Früchte tragen kann.
Wie wollen wir dies erreichen?
In sogenannten „Abenteuerwellen“, die möglichst im Freien stattfinden, erleben sich die Jugendlichen selbst, lernen sich einzuschätzen, sich in der Gruppe zurecht zu finden und ihr zu vertrauen. Exemplarisch sind zu nennen: einfache Vertrauensübungen (Gruppe fängt Einzelnen auf; muss Aufgaben lösen, die nur als funktionierendes Team lösbar sind), Übungen, um sich selbst einzuschätzen und Selbstvertrauen zu tanken (Sprung vom 2,5m hohem Kasten an ein Trapez, Jugendlicher bestimmt Abstand), usw. Das Projekt wird im Rahmen des Sportunterrichts als 3. Sportstunde angeboten, wobei wir diese Stunden allerdings zusammenfassen um mindestens drei Schulstunden am Stück zu haben.
Das Projekt endet mit einem Abschlusstag, der nicht nur Aktivitäten wie Kanufahren oder Klettern, sondern auch eine abschließende Reflektion der Gruppe beinhalten.
Project Adventure
Kernstück von PA ist eine Folge von gut vorbereiteten, aufeinander aufbauenden, der Gruppe angepassten Abenteuerwellen. Sieben Abenteuerwellen, so nennen sich die PA-Treffen mit jeweils ca. zwei Stunden Dauer, im vierzehntägigen Rhythmus sind das Minimum. Bei jeder Welle mehr ist eine deutliche Zunahme an innerem Wachstum bei den einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und bei der Gruppe
als Ganzes zu verzeichnen. An unserer Schule bieten wir, wie an vielen anderen Schulen, PA für die achten Klassen an.
Die Folge der aufeinander aufbauenden Abenteuerwellen, der sog. Wellenplan, wird immer mit Wellen beginnen, die dem besseren Kennenlernen, der Lockerung und vor allem dem Vertrauensaufbau dienen. Auf der Basis des gewonnenen Vertrauens zu sich selbst und zur Gruppe stehen im Mittelpunkt der nächsten Wellen Problemlösungsaufgaben, auch Teamkooperationsaufgaben oder kooperative Abenteuerspiele genannt. Erst dann schließen sich Aktivitäten mit höherem Herausforderungsgrad und sog.Hochseilelemente an.
Aber auch hier gilt, die Herausforderung ist an die Gruppe zurückgebunden, zumindest durch die Sicherung, die die Gruppe übernimmt. Bungee-Jumping, bei dem es nur um den Kick geht und die Gruppe keine (sichernde) Funktion hat, ist keine PA-Aktivität.
Das Konzept von PA bietet auf sehr einfachem Weg die Möglichkeit bei einzelnen Aktivitäten geschlechtsspezifisch zu arbeiten. So kann besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Jungen und Mädchen, aber auch auf die unterschiedliche Art und Weise Probleme zu lösen oder an Herausforderungen heranzugehen, eingegangen werden. Wenn es die Zahlenverhältnisse von Mädchen und Jungen in einer Projektgruppe zulassen, bieten wir an unserer Schule inzwischen etwa ein Drittel der Aktivitäten geschlechtsspezifisch an und machen damit die besten Erfahrungen. An einer anderen Schule, die wir in der Projektdurchführung begleitet haben, war es sehr bald klar, dass der anvisierte Erfolg nur durch geschlechtsspezifisches Arbeiten zu erreichen war.
Der Verlauf einer Abenteuerwelle
Die PA-Treffen werden in wörtlicher Übersetzung aus dem Amerikanischen (Abenteuer-) Wellen genannt. Sie finden in der Regel in der Turnhalle, im Außengelände der Schule oder in einem anderen für PA-Aktivitäten geeigneten und gut erreichbaren Gelände statt. Wenn unsere Schüler kommen, versammeln wir uns im Kreis, eine bestimmte Erkennungsmusik lädt dazu ein. Ein Mitglied des Leitungsteams begrüßt die Klasse und stellt kurz den Ablauf des Nachmittags vor, spannend, aber ohne Wesentliches zu verraten. Und schon beginnt ein erstes lebhaftes Spiel, bei dem alle mitmachen, auch die Teamer. Ein wenn möglich neues Spiel mit einfachen Regeln oder ein bekanntes mit veränderten Regeln, zum Dampf ablassen, je lebhafter desto besser (warming up). Um wieder ruhiger zu werden, Konzentration und Einfühlungsvermögen aufzubauen folgt ein Spiel aus dem Bereich der Wahrnehmungsspiele, Vertrauensübungen oder spielerische Übungen, die bereits Fertigkeiten trainieren, die bei der späteren Aktivität gebraucht werden, z.B. Körperspannung aufbauen und halten können (warming down).
Es folgt das sog. Briefing, mit ‚Vorgespräch’ nur unzureichend übersetzt. Beim Briefing wird die eigentliche Aktivität sowohl inhaltlich als auch sicherheitstechnisch (physisch und psychisch) vorbereitet, Sicherheitstechniken eingeübt. Einzel- und Gruppenziele werden formuliert und für die Reflexion festgehalten. Der Höhepunkt des Treffens ist die eigentliche Abenteuer-Aktivität – aus den Bereichen Vertrauensaufbau (z.B. Blindenführung über sehr schwierigen Parcours), Problemlösungsaufgabe (z.B. Spinnennetz) oder Herausforderung (z.B. der Trapezsprung) oder auch eine Kombination verschiedener Aktivitäten innerhalb einer Spielekette. Durch die Reflexion wird das Erlebnis zur Erfahrung. Im Debriefing, dem Nach- oder Reflexionsgespräch, wird das Erlebte aufgearbeitet, die Einzel- und Gruppenziele werden reflektiert.
Das Debriefing orientiert sich an den Fragen:
1. Was war? 2. Wie war es (für mich)? 3. Was nun? Was heißt das für die nächste Abenteuerwelle – für mich und für uns als Gruppe? Beim Debriefing ist Gelegenheit das im Wertevertrag vereinbarte, wertschätzende Feedback zu geben. Die Abenteuerwelle endet mit einem Abschlussritual der ganzen Gruppe und einem kurzenAusblick auf das nächste Treffen.
Kontakt
Ansprechpartner an der Realschule Jestetten:
Philipp Bürgel, Karin Pfisterer, Rebecca Schnitzler